Mit dem Einmarsch der Franzosen in Kerpen im Jahre 1794 begann die Errichtung des französischen Friedensgerichts in unserer Region, die schließlich zur Errichtung des rhein-preußischen Friedensgerichts im Jahr 1814 führte.
Der hochedelgeborene Herr Franz Anton Willmes (1741 - 1807) amtierte von 1798 bis 1807 als erster Friedensrichter des Bezirks Kerpen. Das französische Jahrbuch des Departements de la Roer, Arrondissement de Cologne, führt das Jahr 1813 an:
á Kerpen. Jungbluth, juge de paix = Friendensrichter
R. Voiss et Scheden = Scheben, suppléans = Stellvertreter
Dethier, greffier = Gerichtsschreiber
Der Miniaturkalender mit Goldschrift für den Regierungsbezirk und die Stadt Köln auf das Schaltjahr nach Christi Geburt 1820 führt bei den Friedensgerichten außerhalb Kölns an:
Kerpen: vacat
Herr Dethier, Gerichtsschreiber
Erst bei der durch den "Geheimen Staatsrath Daniels, zugleich königlicher Justiz-Organisations-Commissarius, Köln, Glockengasse", verfügten Neu-Einteilung der Friedensgerichte, wird Johannes Peter Dethier zum Friedensrichter eingesetzt. Zu seinem Nachfolger als Gerichtsschreiber nennt das Kölner Amtsblatt Krahe, Heinrich Gottfried.
Im übrigen wurde die Fähigkeit, als Friedensrichter gewählt werden zu können, durch ein Alter von 30 Jahren und durch die Eigenschaften eines Notabeln bedingt. Die Eigenschaften eines Notabeln lassen sich zusammenfassen in dem veralteten Bergriff der Nobilität oder der angesehenen Persönlichkeit.
Mit der Auflösung des Stifts wurde 1802 auch die Immunität aufgehoben. Die bislang nördlich an Kerpen vorbeiführende - heute die Alte Landstraße - Köln-Dürener-Straße konnte eine Ortsdurchfahrt erhalten und damit Kerpen besser an den Verkehr anbinden. Diesem Projekt war das alte Rathaus im Weg, es musste abgerissen werden, um so die heute noch bestehende Streckenführung der jetzigen B 264 zu ermöglichen. Die Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Regierung in Köln zogen sich lange hin. Die Gemeinde erwarb 1830 die dem Rathaus gegenüberliegenden ehemaligen Bleichwiesen des Stifts als Bauplatz. Als 1834 das Gebäude abgerissen wurde, erhielt sie aus Köln 500 Taler Entschädigung, die finanzielle Grundlage des Neubaues sein sollte. Der Plan, dass Abbruchmaterial in Kerpen meistbietenden zu versteigern, wurde vom Regierungspräsidenten nicht genehmigt. Vielmehr wurde die Auflage gestellt, dass "die vom alten Baue herkommenden Materialien als Fenster- und Türsteine, Treppe etc. dazu zu verwenden sind". Außerdem sollte man den örtlichen, mit dem Neubau beauftragten Bauunternehmer auch den Abbruch vornehmen lassen. Erste Pläne des Kommunalbaumeisters Schopen wurden mit dem Vermerk versehen, dass die vorhandenen und noch verwendbaren Materialien zu berücksichtigen seien. Der Plan von 1842 zeigt ein 5-achsiges Gebäude, in dessen Obergeschoss zwei Sitzungssäle, mehrere "Cabinetten" sowie ein Zimmer für die Polizeidiener sowie im Erdgeschoss Wachstube, Büro, Gefängnis und Wohnung des Polizeidieners untergebracht waren. Schon in dieser Planungsphase wurde seitens der Gemeinde der Wunsch laut, den Bau zu erweitern. Nach 1842 wurde ein 7-achsiger Bau genehmigt, schließlich auch der Bau eines anschließenden Spritzenhauses. Während der Bauzeit entstand zwischen dem Friedensrichter und der Gemeindeverwaltung mit dem Bürgermeister an der Spitze ein heftiger Streit um Zuweisung von Räumen im neuen Gebäude für das Friedensgericht. Während der Friedensrichter Daniels mehrfach und sehr selbstbewusst eine konkrete Zusage, teilweise sogar die unentgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten forderte, teilte im Bürgermeister Wolff am 27.04.1843 mit: "Euer Wohlgeboren beehre ich mich ... zu erwidern, dass durch gemeinderätlichen Beschluss vom 12. dieses Monats ... mit die oberen von der Gemeinde vorläufig nicht zu benutzenden Räume in dem neu erbauten Gemeindehauses zur Wohnung übergeben worden sind, daher zu einem Lokal für das Friedensgericht daselbst kein Raum mehr vorhanden ist."
In einer neuen Sitzung des Gemeinderats wurde dieser Beschluss im Einvernehmen mit Bürgermeister Wolff rückgängig gemacht, um "in Betreff eines Gerichts-Locals im Interesse der Gemeinde einen anderweitigen Beschluss zu fassen". Der Gemeinderat stimmte nun - wie ursprünglich auch geplant - der Zuweisung von Räumen für Gerichtszwecke zu. Aus dem Protokoll geht jedoch hervor, dass sich die Gemeinde durch Äußerungen des neuen Friedensrichters - z.B. hatte er mit der Verlegung des Gerichts gedroht - erpresst gefühlt hatte und aus diesem Grund dem Friedensrichter keine Räume mehr zur Verfügung stellen wollte.
Nach Abschluss der Bauarbeiten bezogen Verwaltung und Gericht das zunächst gemeinsam benutzte Gebäude . Es präsentierte sich den Benutzern als klassizistischer zweigeschossiger verputzter Bau mit Walmdach. Die 7-achsige Fassade erhält durch den Eingang mit vorliegender Freitreppe eine ausgeprägte Mittelbetonung. Die durch die gleichmäßige Reihung von hochrechteckigen Fenstern hervorgerufene Horizontalbetonung wird durch die Putzquaderung des Erdgeschosses noch unterstützt.
Die noch brauchbaren Altmaterialien des alten Rathauses waren an der Rückfront eingebaut worden. Um die Jahrhundertwende wurde das Gebäude für die expandierende Gemeindeverwaltung und die 1877 zum Amtsgericht umbenannte Justizbehörde zu klein. 1906 bezog die Gemeindeverwaltung ein neues Rathaus an der heutigen Kölner Straße. Das Gebäude am Stiftsplatz wurde bis zum Bezug des 1991 fertiggestellten Gerichtsgebäudes am Nordring noch als Amtsgericht genutzt.